… wenn irgend die Sache gut geht

Wenn Kleist einen Brief an seine Schwester Ulrike schrieb, dann war das fast immer ein Brief mit gewissermaßen politischem Hintergrund: Sie war in seinem Leben wohl die wichtigste, streckenweise einzige Geldgeberin für ihn, und Briefe an sie waren immer auch Bitten um weitere finanzielle Unterstützung, mal ganz offen, mal eher versteckt. In seinem Brief an Ulrike von Kleist vom 8. Februar 1808 schildert er seine Pläne für die nächste Zeit, voller Optimismus – und wir wissen nicht, ob dieser Optimismus gespielt war, um sie zu weiteren Zahlungen an ihn zu bewegen, oder ob er glaubte an das, was er schrieb. Wir wissen nur, dass keine, wirklich keine der vielen Unternehmungen, die er in dem Brief ankündigte, am Ende gelang.

Gehen wir den Brief einmal im einzelnen durch:

Es ist kein Zweifel, daß wir, was den Verlag des Phöbus betrifft, damit auskommen werden. Auf den 1t Jan. 1809, wenn irgend die Sache gut geht, kriegst du dein Geld wieder. (…) Bereits wenige Wochen später war die Geldnot groß, die Kosten der Zeitschrift überwogen bei weitem den Ertrag, das Interesse war lange nicht so groß wie erhofft. Ulrike hat ihr Geld, das sie Kleist geliehen hatte, nie wiedergesehen.
Stelle Dir vor, daß wir von der Regierung, als eine Gesellschaft von Gelehrten, höchstwahrscheinlich (die Sache ist schon so gut, als gewiß) eine kostenfreie Concession zum Buchhandel erhalten werden; die vier Buchhändler die hier sind, treten allzusammt dagegen auf, doch man ist festentschlossen, die Concurrenz zu vergrößern. (…) Die etablierten Dresdner Buchhandlungen wehrten sich erfolgreich gegen die Zulassung einer weiteren, die Konzession wurde nicht erteilt.
Ferner: die Familie Hardenberg hat uns beauftragt, die gesammten Schriften des Novalis (Hardenberg-Novalis, von dem du mir nicht sagen wirst, daß du ihn nicht kennst) zu verlegen, und verlangt nichts, als die Veranstaltung einer Prachtausgabe. (…) Ohne Verlagsbuchhandlung und Kapital auch keine Herausgabe der Schriften von Novalis.
Auch Göthe und Wieland haben geschrieben, und werden an unserm Journal Antheil nehmen.
Fast alle hochfliegenden Pläne, externe Autoren in den Phöbus einzubinden, scheiterten, Goethe ging auf deutliche Distanz, auch Wieland, lange Zeit ein großer Förderer Kleists, ließ ihn im Stich.
Der zerbrochene Krug (ein Lustspiel von mir) wird im Februar zu Weimar aufgeführt, wozu ich wahrscheinlich mit Rühle (der Major und Kammerherr geworden ist), wenn der Prinz dahingeht, mitreisen werde. (…) Der wohl berühmteste Flop der deutschen Theatergeschichte: Goethe setzte die Uraufführung in den Sand. Kleist war bei dem Desaster nicht anwesend.

Aus der Rückschau liest sich der Brief, der so optimistisch und voller Hoffnung erscheinen soll, entsetzlich bitter.

Über martinfueg

Martin Füg studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Theaterwissenschaft in Bonn und Erlangen. In Erlangen gründete und leitete er gemeinsam mit Kerstin Bürger und Patrick Fuchs das Freie Theater DWARD. 1999 löste sich DWARD auf. Seit 2000 lebt und arbeitet Martin Füg in Köln. Von 2004 bis 2012 war er Vorsitzender des Bach-Vereins Köln.
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