Kleine Presseschau zwischendurch

Zwischendurch mal wieder ein Blogeintrag in der Kategorie „Das Schreiben der anderen“. Ein Blick in die Onlineausgaben deutscher Zeitungen zeigt, dass, Gedenkjahr hin oder her, Kleist wohl nie die Popularität eines Goethe erlangen wird – wobei, machen wir uns nichts vor, Goethe heute sicher kaum mehr wirklich gelesen wird wie Kleist. Es gibt wenig zu lesen über Kleist, vor allem wenig lesenswertes.

Einige Zeitungen haben Serien aufgelegt für das Kleistjahr, in denen sie, teilweise von verschiedenen Autoren, verschiedene Aspekte seines Werks beleuchten; dazu gehört die taz mit monatlichen Beiträgen unterschiedlicher Güte oder eine Serie im österreichischen Standard, in der sich jede Folge mit einem Hauptwerk beschäftigt. Andere Zeitungen bringen anlässlich von Neuerscheinungen Artikel, die über die reine Besprechung teilweise deutlich hinausgehen. Ein schönes Beispiel ist der sehr lesenswerte Artikel von Robin Detje im Cicero, „Fiebern ohne Unterlass“, der anlässlich der Münchner Ausgabe begeistert und begeisternd einlädt zur Lektüre der Kleistschen Originaltexte.

Manche Zeitungen schreiben einfach den üblichen und doch immer wieder verblüffend billigen Scheiß. Ein Beispiel für aktuellen Nulljournalismus ist ein Artikel in der Welt Kompakt, der eine knallhart recherchierte Umfrage in insgesamt drei kleinen Buchhandlungen, davon zwei in Frankfurt/Oder, zusammenfasst und mit der spannenden These aufwartet, dass Kleists Werke abhängig vom Bildungsgrad mal mehr, mal weniger gelesen werden. Der Artikel referiert u.a., dass die Münchner Ausgabe im Jubiläumsjahr deutlich mehr verkauft werde als bei Erscheinen – leider fehlt der Hinweis, dass diese Ausgabe erst Ende 2010 auf den Markt gekommen ist.

Und manche Zeitungen weisen hin auf, nun ja, ungewöhnliche Veranstaltungsprojekte im Gedenkjahr: In Mainz fand „vor dem Möbelhaus Mondo“ eine sechsstündige Marathonlesung statt, lesen durfte offenbar, wer gerade vorbeikam. Mit dieser Aktion sollten „Mainzer Bürger die Werke des Dramatikers entstauben“ und den „Klassiker vom Sockel holen“. Was man halt als Lokaljournalistin so zusammenschreibt. Kein Spaß, so ein Marathon.

Über martinfueg

Martin Füg studierte Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Theaterwissenschaft in Bonn und Erlangen. In Erlangen gründete und leitete er gemeinsam mit Kerstin Bürger und Patrick Fuchs das Freie Theater DWARD. 1999 löste sich DWARD auf. Seit 2000 lebt und arbeitet Martin Füg in Köln. Von 2004 bis 2012 war er Vorsitzender des Bach-Vereins Köln.
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