Auf die Bühne gehen und einfach mit dem Spielen beginnen – mit leerem Kopf, ohne eine einzige Idee, ohne sich eine Geschichte vorher überlegt zu haben, darauf vertrauend, dass die Mitspieler gleich folgen werden und in der puren Interaktion die Geschichte von allein entstehen wird. Und am Ende des Theaterabends mit dem Publikum gemeinsam staunen, dass so etwas möglich ist: Eine spannende Geschichte mit Anfang, Mitte und Schluss zu erzählen, ohne dass man sie auch nur im Ansatz vorher kennt.
1994 entwickelten wir im Freien Erlanger Theater DWARD in mehreren spannenden Monaten wie in einem Labor neue Spiel- und Erzählformen – zunächst nur kleine Szenen, bald aber große abendfüllende, dreiaktige Stücke. Ausgangspunkt waren Veröffentlichungen des kanadischen Theatersportpapstes Keith Johnstone, die uns zeigten, dass dieser entscheidende Schritt, vor dem jeder Schauspieler zunächst eine Art Urangst hat, möglich ist: Auf die Bühne gehen, ohne zu wissen, was man dort tun wird. Völlig blank im Kopf.
Im Dezember 1810 veröffentlichte Kleist in den Berliner Abendblättern einen kleinen Aufsatz Von der Überlegung. (Eine Paradoxe), der sich, gerade zusammen gelesen mit seinem nur wenige Tage später publizierten Schwestertext Über das Marionettentheater und dem anderen berühmten Kleist-Aufsatz Über die allmählige Verfertigung der Gedanken beim Reden wie das Urmanifest schlechthin zur Spontaneität liest. Weiterlesen